Übersetzernachlässe in globalen Archiven.

„Weltliteratur als übersetzte Literatur“: Das mag der Grundsatz einer transnationalen und globalen Perspektive auf Literatur sein, in der die Figur des Übersetzers als Nomade der Mehrsprachigkeit eine zentrale Rolle für die Literaturvermittlung spielt. Neben anderen Akteuren wie Autorinnen und Autoren, Lektorinnen und Lektoren und Verlagen sind es aus dieser Perspektive zweifellos die Übersetzerinnen und Übersetzer, die letztendlich sprachlich die Literaturen der Welt in Bewegung setzen. In dieser Rolle sind sie nicht nur zuständig für die Übertragung, sondern auch für die Herstellung eines noch nicht existierenden und lesbaren Originals, d.h. eines neuen Manuskripts zu einem Werk, das am literarischen System aktiv teilnehmen will. Anders als das „originale“ Manuskript entsteht das übersetzte Manuskript unausweichlich aus der Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehreren Sprachen und zwischen mindestens zwei mehr oder weniger stabilisierten Urfassungen, die in der Werkstatt des Übersetzers immer mitzudenken sind.

Übersetzernachlässe gelten in diesem Kontext nicht nur als Wissens- und Literaturquellen, sondern auch als Räume, in denen die Werkstatt und das Projekt des Übersetzens sichtbar werden. Ein Blick in diese Werkstatt ermöglicht nicht nur die Rekonstruktion einer intensiven Rezeptionsgeschichte, sondern auch der Diskussion von Fragen der Lesbarkeit, der Übersetzbarkeit und der Stabilität einer vermeintlichen (neuen) Urfassung, die an ihrer Quelle bereits flüchtig, vielfältig und mehrsprachig in ihrer Entstehung ist. Im Vergleich zu anderen Nachlässen zeugen Übersetzernachlässe vor allem von translingualen Konflikten zwischen Alterität und Identität und von der Unbeständigkeit eines Originals, dessen Textbestand eher aus der Diversität, der Mehrsprachigkeit und nicht aus der Stabilität oder der Einheit kommt. Geht man davon aus, dass das Übersetzen selbst eine Art konstante Produktion und Revision von Wissen ist, können Übersetzernachlässe als Quelle betrachtet werden, in der sich das neue und immer wieder infrage gestellte Wissen in einem eigenen epistemologischen Status strukturiert.

Das DLA Marbach verfügt über zahlreiche Übersetzernachlässe sowie Archivbestände, die in direktem Zusammenhang mit Übersetzung stehen. Darunter sind bedeutende Namen der deutschen Literaturgeschichte wie Bertolt Brecht, Walter Boehlich, Elisabeth Borchers, Anneliese Botond, Paul Celan, Hans Magnus Enzensberger, Erich Fried, Peter Handke, Stefan George, August Wilhelm Schlegel, Peter Szondi, Hans Stillet, Ludwig Tieck und Hans Wollschläger. Diese Bestände und Nachlässe sind Teil einer reichen Literatur- und Kulturtransfergeschichte und dokumentieren eine lange Auseinandersetzung zwischen einzelnen Literaturen sowie eine umfangreiche Reflexion über das Übersetzen selbst. Die Übersetzungstheorie und -praxis von A. W. Schlegel etwa gilt in diesem Kontext als grundlegender Baustein für die deutsche Romantik. Vergleichbar in der Moderne sind die Übersetzungen und theoretischen Ansätze von Rainer Maria Rilke, Paul Celan, Peter Urban, der Übersetzer von Velimir Chlebnikov, und letztendlich von Erika und Elmar Tophoven. Darüber hinaus stehen mit den zahlreichen Verlagsarchiven (Suhrkamp, Insel, Luchterhand, Piper, S. Fischer, Rowohlt u.a.) auch Materialien zu Übersetzungen zur Verfügung, die für die Sozial- und Geisteswissenschaften in Deutschland eine wichtige Rolle spielen; ebenso kann das Gefüge zwischen Verleger/in, Lektor/in und Übersetzer/in in den Blick genommen werden.

Grundsätzlich gilt für die Übersetzernachlässe zudem, dass sie sich durch Mehrsprachigkeit auszeichnen. So umfassen die DLA-Bestände nicht nur die handschriftlichen Materialien von Übersetzer/innen, die sich mit der Übertragung anderer indoeuropäischer Sprachen ins Deutsche beschäftigten, sondern auch Manuskripte von Übersetzer/innen, die sich dem Finnischen, Ungarischen, Chinesischen, Arabischen, Hebräischen und den indischen Sprachen widmen.

Anliegen der Marbacher Tagung ist es, Nachlässe von (v.a. literarischen) Übersetzerinnen und Übersetzern systematisch in den Blick zu nehmen und auf ihren Forschungswert zu befragen. Auf Basis einer übersetzungstheoretischen Diskussion soll dies anhand konkreter Bestandsbeispiele ausgelotet werden. Neben prominenten Beständen des DLA sollen dabei auch Nachlässe aus anderen Institutionen (z.B. Instituto Cultural Judaico Marc Chagall, Brasilien, Nachlass Herbert Caro; Ibero-Amerikanisches Institut, Berlin, Nachlass Curt Meyer-Clason) in den Blick kommen.

Zu diskutieren sein werden dabei auch die Chancen und Grenzen der computergestützten Übersetzung literarischer Texte: Wie verändert sich die Rolle des Übersetzers vor dem Hintergrund aktueller technologischer Entwicklungen und Möglichkeiten? Ist der Übersetzer für das Entstehen von Poetizität unabdingbar? Ist die Lyrikübersetzung durch die visuelle und lautmalerische Übertragung eine besondere Art der Übersetzung, eine parataktische Übersetzung, die sich als autonomer Text erweist? Hierbei gilt es auch, die Potentiale digitaler Tools für die Übersetzungsforschung auszuloten, auch mit Blick auf die Besonderheiten der Lyrikübersetzung.

Die Tagung ist als Doppeltagung angelegt. Im unmittelbaren Anschluss an die Tagung am DLA Marbach findet eine korrespondierende Tagung am IMEC (Institut Mémoires de l’édition contemporaine) in Caen statt, die den Fokus auf die Übersetzung von sozial- und geisteswissenschaftlichen Texten legen wird. Eine Präsentation von in Caen befindlichen Übersetzernachlässen wird diesen Teil der Tagung eröffnen, die in enger Zusammenarbeit mit der Forschergruppe ERLIS der Universität Caen organisiert wird. Neben der grundlegenden Reflexion auf übersetzungstheoretische Fragen werden verschiedene Einzelstudien im Zentrum dieser Tagung stehen, die an Übersetzernachlässen in unterschiedlichen Sprachen arbeiten, die im IMEC aufbewahrt werden: die Übersetzung ins brasilianische Portugiesisch, aus dem Italienischen ins Französische, dem Deutschen ins Französische oder aus dem Russischen.

Internationale Tagung

  1. bis 27. November 2019, Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA)
  2. November 2019, Institut Mémoires de l’édition contemporaine (IMEC), Paris
  3. bis 30. November 2019, Institut Mémoires de l’édition contemporaine (IMEC), Caen

Gefördert durch die Robert Bosch Stiftung GmbH aus Mitteln der DVA-Stiftung


 

Fonds de traducteurs dans les archives globales.

« La littérature mondiale comme littérature traduite ». Cela peut constituer le principe fondamental d’une perspective transnationale et globale sur la littérature dans laquelle la figure du traducteur – ce nomade du multilinguisme – jouerait un rôle central pour la transmission de la littérature. Avec d’autres acteurs, comme les auteures et auteurs, les directrices et directeurs littéraires ainsi que les maisons d’édition, ce sont sans aucun doute les traductrices et traducteurs qui mettent en mouvement les littératures du monde. Dans ce rôle, ils ne sont pas seulement chargés de traduire des œuvres, mais aussi de créer un original qui n’existe pas encore et n’est pas encore lisible, c’est-à-dire un nouveau manuscrit qui veut prendre une part active dans le système littéraire. Contrairement au manuscrit « original », le manuscrit traduit naît inéluctablement de la confrontation entre deux langues ou plus, et entre au moins deux versions originelles plus ou moins stabilisées qui coexistent dans l’atelier du traducteur.

Dans ce contexte, les fonds légués par les traducteurs ne servent pas seulement de sources sur le savoir et la littérature, mais aussi d’espaces dans lesquels deviennent visibles l’atelier et le projet de la traduction. Un regard dans cet atelier ne permet pas uniquement de reconstituer une intense histoire de réception, mais également de mettre en débat des questions portant sur la lisibilité, la traductibilité et la stabilité d’une (nouvelle) version supposée originelle qui, à sa source, est déjà fugace et issue d’une genèse multiple. Par rapport à d’autres fonds, ceux des traducteurs témoignent avant tout de conflits translinguistiques entre altérité et identité, et de l’inconstance d’un original dont la consistance textuelle vient plutôt de la diversité que de la stabilité ou de l’unité. Si l’on part de l’idée que la traduction elle-même est une sorte de production et de révision permanentes de savoir, les fonds de traducteurs peuvent être considérés comme une source dans laquelle ce savoir nouveau et toujours remis en cause obtient un statut épistémologique qui lui est propre.

Le DLA de Marbach dispose de nombreux fonds légués par des traducteurs, dont des noms importants de l’histoire littéraire allemande comme Bertolt Brecht, Walter Boehlich, Elisabeth Borchers, Anneliese Botond, Paul Celan, Hans Magnus Enzensberger, Erich Fried, Peter Handke, Stefan George, August Wilhelm Schlegel, Peter Szondi, Hans Stillet, Ludwig Tieck, Hans Wollschläger et Elmar Tophoven. Ceux-ci participent d’une riche histoire du transfert littéraire et culturel, et illustrent une longue confrontation entre les différentes littératures, ainsi qu’une ample réflexion sur la traduction proprement dite. La théorie et la pratique de la traduction chez A. W. Schlegel, par exemple, sont considérées dans ce contexte comme un élément fondamental du romantisme allemand. Dans la modernité, on en a le pendant avec des traductions et des approches théoriques de Rainer Maria Rilke, Paul Celan, Hans Wollschläger et, en dernier lieu, d’Erika et Elmar Tophoven, sur lesquels de nombreux documents sont conservés et accessibles à la recherche au DLA. On dispose en outre, avec les multiples archives de maisons d’édition (Suhrkamp, Insel, Luchterhand, Piper, S. Fischer, Rowohlt, etc.), de documents sur des traductions qui ont joué un grand rôle pour les sciences sociales et humaines en Allemagne ; on peut également prendre comme ligne de mire l’articulation entre éditeur, directeur d’édition et traducteur. Autre point fondamental qui s’applique aux fonds de traducteurs : ils se distinguent par la pluralité des langues. Les pièces détenues par le DLA ne sont pas seulement les documents manuscrits de traducteurs qui se chargent du transfert vers l’allemand d’autres langues indo-européennes, mais aussi de manuscrits de traducteurs travaillant sur le finnois, le hongrois, le chinois, l’arabe, l’hébreu et les langues de l’Inde. L’intention du colloque de Marbach est de porter un regard systématique sur les fonds légués par des traductrices et traducteurs (avant tout littéraires) et de s’interroger sur leur valeur pour la recherche.

On l’étudiera sur la base d’un débat portant sur la théorie de la traduction et à l’aune d’exemples concrets pris dans les archives. À côté des collections éminentes du DLA, on se penchera aussi sur les fonds d’autres institutions (par exemple l’Instituto Cultural Judaico Marc Chagall, Brésil, fonds Herbert Caro ; l’Ibero-Amerikanisches Institut, Berlin, fonds Curt Meyer-Clason). On devra aussi examiner à cette occasion les chances et les limites de la traduction assistée par ordinateur : comment évolue le rôle du traducteur dans le contexte des changements et des possibilités technologiques actuels ? Le traducteur est-il indispensable pour la naissance de la poéticité ? Là aussi, il s’agira d’explorer les potentiels des outils numériques pour la recherche sur la traduction.

Il s’agit d’un double colloque. Après la session organisée au DLA de Marbach aura lieu un colloque qui en sera le pendant à l’IMEC (Institut Mémoires de l’édition contemporaine) à Caen, qui se focalisera sur la traduction des textes en sciences sociales et humaines et des enjeux théoriques de la traduction. Une présentation de fonds de traducteurs aura lieu à cette occasion. Cette deuxième partie du colloque sera organisée dans une étroite collaboration avec des chercheurs de l’unité de recherche ERLIS de l’Université de Caen. Cette seconde partie du colloque « Fonds de traducteurs dans les archives globales » se donne pour tâche de combiner une réflexion théorique sur la traduction en sciences humaines et sociales et des études des exemples à partir des fonds de traducteurs de différentes langues européennes conservés à l’IMEC : l’un tiré de la traduction vers le portugais brésilien, un autre de l’italien vers le français, de l’allemand vers le français, de l’espagnol vers le français et un autre à partir du russe.

Internationale Tagung

  1. bis 27. November 2019, Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA)
  2. November 2019, Institut Mémoires de l’édition contemporaine (IMEC), Paris
  3. bis 30. November 2019, Institut Mémoires de l’édition contemporaine (IMEC), Caen

Gefördert durch die Robert Bosch Stiftung GmbH aus Mitteln der DVA-Stiftung