Übersetzen zwischen deutscher und französischer Sprache
(Leitung Josef Winiger)

Das Atelier 4 fand am zweiten Tag des Symposiums in der Fondation Maison des sciences de l’homme (FMSH) statt. Der dreistündige Workshop widmete sich dem Thema „Übersetzen zwischen deutscher und französischer Sprache“. Geleitet wurde dieser fachliche Austausch von Josef Winiger, der Psychologie, Philosophie und Soziologie in Paris, Aix-en-Provence und München studierte. Seit vielen Jahren ist er als Autor und Übersetzer u.a. von André Glucksmann, Robert Delort oder André Comte-Sponville in die deutsche Sprache tätig. An dem praxisorientierten Workshop nahmen acht Übersetzerinnen aus Frankreich, Deutschland und Österreich teil. Gemeinsam diskutierten sie die individuell angefertigten Übersetzungen zweier Texte, die im Vorfeld des Symposiums ohne Titel und Quellenangabe an die Teilnehmerinnen versandt wurden. Diese waren dazu angehalten, mindestens einen der beiden Texte ins Französische bzw. Deutsche unter Berücksichtigung folgender Kriterien zu übersetzen: 1.) Beibehaltung der originalen Textlänge, 2.) Anfertigung eines Protokolls mit den jeweiligen Übersetzungsproblemen und 3.) stilistische Imitation des Originaltexts. Dem ersten deutschen Ausgangstext wurde sich in dem Atelier mit der Aufgabe genähert, typische essayistische Merkmale zu identifizieren, die in rein wissenschaftlichen Abhandlungen nicht zu finden wären. Auf Grundlage der vorbereiteten Übersetzungen in die französische Sprache wurden Möglichkeiten zur Übertragbarkeit dieser sprachlichen Spezifika besprochen. Im Rahmen der Analyse des vermeintlichen Originaltextes wurde offensichtlich, dass es sich bei dem Auszug bereits um eine Übersetzung des Buches „Europe et les Suisses“ von dem Schweizer Sozial- und Wirtschaftshistorikers Jean-François Bergier handelte, für die Winiger 1999 den Übersetzerpreis des Verlages C. H. Beck verliehen bekam. Die Teilnehmerinnen des Workshops hatten mit ihren Übersetzungen ohne ihr Wissen gleichsam Rückübersetzungen angefertigt, die in Gegenüberstellung zu dem tatsächlichen Originaltext als ideale Vergleichsgrundlage für den Umgang mit verschiedenen Übersetzungsproblemen dienten. Bei dem zweiten französischen Ausgangstext handelte es sich um einen Auszug aus dem Buch „L’histoire suisse en un clin d’œil“ der schweizerischen Journalistin Joëlle Kuntz. In der Diskussion standen die Möglichkeiten und Grenzen der Wiedergabe von syntaktischen Strukturen und Satzzeichen im Fokus. In der abschließenden Gesprächsrunde wurden darüber hinaus Herausforderungen bei aktuellen Arbeitsvorhaben der Teilnehmerinnen thematisiert. Dabei ging es z.B. um Schwierigkeiten bei der Übersetzung von Ausstellungstexten bzw. -katalogen, dem Referenzbezug bei der Wiedergabe von Koran-Passagen oder die Übersetzung wissenschaftlicher Texte einschließlich stilistischer Verbesserungen, für die ein Aufpreis bis zu 25% gefordert werden könne. Als Fazit des Workshops kann festgehalten werden, dass die sogenannten rhetorischen Elemente auch in geistes- und sozialwissenschaftlichen Texten durch den „désir de convaincre“ begründet sind und ihre Wiedergabe in der Zielsprache unter der Voraussetzung eines funktionierenden Textes somit dringend erforderlich ist.

Bettina Sund